Dienstag, 19. Mai 2015

Paradoxon

Was mich in diesem Moment am Leben hält, sind meine Gedanken an den Selbstmord.

Das klingt Paradox, und in meinen Gedanken meine ich dies auch ganz anders, aber ich kann es nicht in Worte fassen.

Möchte ich mich wirklich umbringen? Wenn ja, wie mach es am besten? Wird mich jemand vermissen? Wäre jemand sauer auf mich? Was werden die Leute über mich reden? Wie wird die Beerdigung ablaufen? -Bestimmt nicht so wie ich es mir gewünscht hätte.

Selbst wenn ich meine Wunsch-Beerdigung haargenau aufschreiben würde, verliefe sie bestimmt ganz anders. Warum? Weil keiner mich richtig kennt. Selbst mein engster Freundeskreis nicht.    
Sie würden meine Notizen als "im Wahn mal eben dahin gekritzelt" sehen, und sich andere Sachen ausdenken, weil das, was ich da aufgeschrieben hätte, gar nicht zu mir passen würde.

Dabei passt mein jetziges Ich nicht zu mir. Ich spiele mir selbst, sowie Freunden und Familie eine Rolle vor. Wahrscheinlich sogar mehrere Rollen.

Wenn ich mich jetzt umbringen würde, wären meine Großeltern sauer auf mich. Es wäre ihnen vor den Nachbarn und dem Rest der Familie peinlich, was ich gemacht hätte. Sie würden abends auf der Couch sitzen, den Kopf schütteln und meckern "Wir haben so viel Geld und Arbeit in das Mädchen gesteckt, haben ihr im letzten Jahr ein ordentliches Zuhause gegeben. Es stand immer eine ordentlich Mahlzeit auf dem Tisch. Wenn sie die Uni nicht abgebrochen hätte oder direkt von Anfang an eine ordentliche Ausbildung angefangen hätte, wäre das nicht passiert. Aber das liegt alles am Vater. Das hat die von dem geerbt!".

Das ist zum Beispiel ein Grund, der mich am Leben hält. Zu Wissen, dass man den Leuten keine Gegenargumente ins Gesicht schleudern kann, wenn sie Mist über dich erzählen.

Wer Selbstmord begeht, möchte sich erlösen. Aber finde ich wirklich die Erlösung, wenn ich weiß, dass die Menschen da draußen mich nicht richtig kennen und nach meinem Tod die Unwahrheit über mich erzählen? Und warum stört mich sowas eigentlich? Soll ich lernen darüber zu stehen, oder sollte ich nicht langsam mal anfangen, ich selbst zu sein?

Und wer ist eigentlich mein wahres Ich?